> 2. Deutscher Stellplatztag auf dem Caravan Salon

Grün ist die Zukunft

21.09.2022
Bild & Text: Claus-Georg Petri

Der Bestand an Reisemobilen in Deutschland rangiert auf Rekordhoch, doch die Infrastruktur hinkt hinterher. Über die nötigen Ziele haben Fachleute auf dem Caravan Salon debattiert. Das neue Credo lautet: Öko – auch bei Stellplätzen am Weinberg.

Reisemobil-Tourismus und kein Ende. In den vergangenen Jahren hat die Nachfrage nach Wohnmobilen geboomt: Von 2016 bis 2021 betrug der Zuwachs bei Neuzulassungen 80 Prozent. Demnach lag der Bestand in Deutschland bei 767.000 Reisemobilen. Mit diesem rasanten Zuwachs hat die Infrastruktur nicht mitgehalten. Laut Auswertungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München (dwif) existieren in Deutschland aktuell zwar fast 4.700 Reisemobilstellplätze mit mehr als 71.000 Standplätzen.

Aber: Die Anzahl der Stellplätze ist im Vergleich zu 2016 (3.600) um 30 Prozent gestiegen, die der Standflächen (2016: 62.000) indes um lediglich 15 Prozent. Bei der Kapazität klaffen Angebot und Nachfrage auseinander. Tatsächlich kommt es in beliebten touristischen Regionen zu Engpässen speziell bei Stellplätzen. Das Potenzial indes ist riesig: Wollen auch ländliche oder bisher touristisch weniger entwickelte Regionen in Deutschland am Caravaning- Boom teilhaben, müssen sie sich bei Ausbau der Infrastruktur und Investition für Reisemobile ordentlich ins Zeug legen.

Eine Facette auf dem Musterstellplatz war der mit Wasserstoff und Brennstoffzelle versorgte Stellplatz, gezeigt von SFC.

Klimaneutralität im Fokus

Auf Basis dieser Erkenntnisse fanden sich am Rand des Caravan Salons Fachleute aus Verbänden, Caravaning-Branche und Presse zum 2. Deutschen Stellplatztag zusammen. Das Thema lautete: „Der klimaneutrale Reisemobilstellplatz“. Laut den einladenden Verbänden CIVD, DTV und ADAC wollte das Gremium damit „die Weichen stellen für eine zukunftsfeste und regional verankerte Tourismusform“.

Neue Stellplätze zu errichten, stand dabei im Mittelpunkt der Debatte, die Marco Walter von Ecocamping moderierte. Folglich wandte sich das Podium mit seinen Fachvorträgen an kommunale Entscheidungsträger, Touristiker und private Investoren. Ihnen sollten Anregungen und Impulse geboten werden, in die notwendige Infrastruktur zu investieren und sich so den neuen Herausforderungen und Entwicklungen im Tourismus erfolgreich zu stellen. Klar richteten die ersten Redner ihren Blick auf Klimaneutralität.

Um sie zu erreichen, mahnte Martin Rolletschek von Ecocamping, müssten Stellplatzbetreiber ihr Augenmerk zum Beispiel darauf lenken, wie sie ihre Anlage samt der Infrastruktur gestalten. Energie zu sparen, sei dabei genauso wichtig, wie Müll zu trennen und mit Wasser bewusst umzugehen. „Wichtig ist, die Stellplatznutzer in das Konzept einzubeziehen“, betonte der Diplom-Ingenieur. Deshalb sollten Strom und Wasser nicht gratis abgegeben werden: „Das fördert den bewussten Umgang mit diesen Ressourcen.“

Rainer Bauer, Betreiber des Camping Resort Bayerwald in Waldkirchen, hat einen 25.000 Quadratmeter großen Golfplatz von der Gemeinde übernommen, um ihn zum Stellplatz umzuwandeln. Bei seinem Bauvorhaben geht es darum, den Baumbestand zu erhalten, Umwelttechnik wie Hackschnitzelheizung und Photovoltaik ebenso einzusetzen wie Terrassen mit so wenig Rasengittersteinen wie möglich, um den Boden nicht zu versiegeln. Einen bisher wenig beachteten Aspekt der Stromversorgung auf Stellplätzen stellte Korbinian Edelmann von SFC Energy aus Brunnthal bei München vor: Wasserstoff als Energieträger, kombiniert mit Brennstoffzellen. Seine Meinung: „Der grüne Stellplatz ist jetzt.“ Das Modell einer Anlage zeigte das Unternehmen an einem Stand auf dem Musterstellplatz am Rande des Caravan Salons.

Freizeit: Der Stellplatz am Weinberg könnte sich zum Erfolgsmodell entwickeln und für viele Winzer als zweites wirtschaftliches Standbein wichtige Einnahmen bringen.
Foto: Messe Düsseldorf

Winzer und Reisemobilisten

Für eine Alternative zu herkömmlichen Stellplätzen plädierte Dr. Maximilian Tafel: Übernachtungen bei Winzern. Der Wissenschaftler der Uni Geisenheim nannte die sinkende Zahl deutscher Winzer: Von 2010 bis 2020 hat sich die Zahl der Weinbauern von 20.555 auf 16.394 reduziert. Besonders kleine Betriebe bräuchten ein zweites wirtschaftliches Standbein.

Reisemobilurlauber, die auf dem Hof einen Übernachtungsplatz finden, kommen da gerade recht. Schon seit Jahren sieht sich Theo Gehring vom gleichnamigen Weingut aus Nierstein (www.weingut-gehring.de) als Gastgeber auf seinem Stellplatz am Weinberg. Den Erfolg seines Modells begründet der 59-Jährige darin, dass er „ein Rahmenprogramm aufgestellt“ hat: Planwagenfahrten und Weinproben, dazu toskanisches Flair. Der Winzer verkauft sogar Arbeit, lässt seine Gäste im Weinberg helfen – und serviert abends ein dreigängiges Menü. Natürlich kaufen die Reisemobilisten bei ihm auch Wein und versprechen wiederzukommen.

Infobox

Muster-Stellplatz: Zeigen, wie’s funktioniert

Ob Touristiker, Betreiber, Neueinsteiger wie Winzer und Bauern oder Investoren – wie ein moderner Reisemobilstellplatz aussehen kann, dazu berät der CIVD. Das Angebot reicht vom stromversorgten Basisplatz über Flächen mit Frisch- und Abwasser, Elektro-Aufladestationen bis hin zu Premiumplätzen mit vollautomatischen Reinigungsstationen für Campingtoiletten.

Stellplatz-Informationsportal, von Stellplatzkategorien über Beratungsangebote bis hin zu Studien und Leitfäden: www.reisemobil-stellplatz.info

Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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