> Aufbau und Produktion von Wohnmobil-Kabinen

Schicht für Schicht

22.09.2020
Text: Simon Ribnitzky | Bild: K. Kaufmann, M. Piontek, Hersteller

Wie entsteht eigentlich ein Wohnmobil? Wir haben hinter die Kulissen geschaut, erklären den Aufbau der Wohnmobil-Kabine und welche Unterschiede es bei den Herstellern gibt.

EPS, XPS, GfK, Sandwich-Technik – geht es um die Konstruktion und den Bau von Wohnmobilen sind ziemlich viele Abkürzungen und Fachbegriffe im Spiel. Was sie bedeuten und welche Rolle all diese Materialien und Techniken in den Werkshallen der Hersteller spielen, hat sich Reisemobil International für Sie ein wenig genauer angesehen. Unterschiede zeigen sich dabei nicht nur zwischen preisgünstigen Marken und Anbietern im Premiumsegment.

Allen gemein: Boden, Dach und Wände werden als sogenannter Sandwich gefertigt. Das heißt, diese Teile bestehen aus mehreren Schichten. Eine Isolierschicht und gegebenenfalls Verstärkungen im Inneren werden auf beiden Seiten mit einem Außenbelag beplankt. Je nach verwendeten Materialien ergeben sich unterschiedliche Eigenschaften. Auch Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit von Wänden, Dach und Boden werden dadurch entscheidend mitbestimmt.

Wände und Dach

Standard im preisgünstigen Segment ist die Fertigung mit einem Holz-Fachwerk. Diese längs und quer angeordneten Holzleisten im Inneren der Wand liefern die nötige Stabilität. Der Raum zwischen den Leisten wird mit Platten aus EPS-Schaum (Expandiertes Polystyrol) gefüllt, besser bekannt unter dem Markennamen Styropor.

Die Außenseite der Wand wird in der Regel mit Aluminium beplankt, auf der Innenseite kommt meist eine dünne Sperrholzschicht zum Einsatz. Der gesamte Sandwich wird dann unter Zugabe von Kleber gepresst und erhält so seine Stabilität. Auf diese Weise fertigen zum Beispiel die Hymer-Töchter Carado und Sunlight ihre Mobile.

Das Problem: Sollte die Wand beschädigt werden und Wasser eindringen, nimmt EPS das Wasser auf und quillt auf, da es sich um offenporigen Schaum handelt. Auch die Holzleisten im Inneren der Wand können dann durch eingedrungenes Wasser aufquellen – zu erkennen an einer unebenen, leicht wellenförmigen Außenwand. Bleibt die Wand dicht, hält aber auch diese einfache Konstruktion viele Jahre.

Für die Außenhaut des Daches verwenden viele Hersteller glasfaserverstärkten Kunststoff (GfK) statt Aluminium. Vorteil ist die bessere Hagelbeständigkeit dieses Materials. Ein Alu-Dach würde schneller Beulen bekommen, wenn es hagelt. Manche Hersteller wie zum Beispiel Eura Mobil, Forster und Chausson fertigen auch die Wände als GfK-Sandwich. Ein Nachteil von GfK an der Außenwand ist, dass das Material im Gegensatz zu Aluminium schneller verwittert, auskreidet und unansehnlich wird, wenn regelmäßige Pflege fehlt.

Im höherpreisigen Segment verzichten die Hersteller auf Holz in den Wänden Für die Isolierung kommt wasserabweisender XPS-Schaum (Extrudiertes Polystyrol) zum Einsatz, etwa bei Carthago, Laika oder Frankia. Dieses Material nimmt bei einer Beschädigung der Außenhaut kein Wasser auf. Häufig geben die Hersteller für den Schaum Markennamen wie Styrofoam, Styrodur oder RTM an. Statt Holzleisten werden an besonders belasteten Stellen des Wohnmobil-Aufbaus, etwa für Verschraubungen, Leisten aus hochfestem PU-Schaum verbaut. Manchmal kommt aber auch in ansonsten holzfreien Wänden an den Kanten noch Holz zum Einsatz – Schrauben halten dort besonders gut.

Bildergalerie

Hymer verwendet bei seiner sogenannten PUAL-Bauweise durchgängig PU-Schaum als Isoliermaterial für die Wohnmobil-Kabine. Eine Besonderheit zeigt der oberschwäbische Hersteller auch bei der Dachkonstruktion: Auf die äußere Aluplatte wird eine Schicht GfK zum Schutz vor Hagel aufgeklebt. Diese doppelte Haut soll laut Hersteller im Vergleich zu reinen GfK-Dächern den Vorteil bieten, dass die Dachhaut auch bei heftigem Hagel nicht reißt, sondern es bei kleinen Dellen bleibt. So vermeidet der Hersteller kleine Risse, durch die mit der Zeit Feuchtigkeit eindringen könnte.

Andere Hersteller setzen beim Dach auf eine GfK-Außen- sowie eine Aluminium- Innenseite. So erreicht zum Beispiel Carthago einen faradayschen Käfig, der Blitzschläge ableitet. Wände bestehen im gehobenen Segment häufig beidseitig der Isolierschicht aus Aluminiumblechen. Im Innenraum sichtbare Flächen werden dann in der Regel mit Stoff oder Filz verkleidet.

Boden

Boden: Auch für den auf das Chassis geschraubten Boden einer Wohnmobil-Kabine kommen Sandwich-Platten zum Einsatz. Einfache Konstruktionen setzen auf Sperrholzplatten mit EPS-Isolierung. Ein Schutzanstrich an der Unterseite soll den Boden vor Wasser und Schmutz bewahren. Hochwertiger sind Böden, bei denen eine wasserabweisende XPS-Isolierung sowie eine GfK-Schicht an der Unterseite zum Einsatz kommen.

Recht häufig findet sich auch eine Kombination der Techniken und Materialien. Hersteller wie Knaus, Hobby oder Eura Mobil verwenden für Dach und Boden den hochwertigen und wasserabweisenden XPS-Schaum, isolieren die Wände hingegen mit einfachem EPS. Entscheidend für die Haltbarkeit ist letztlich auch die akkurate Durchführung des Baus.

Verbindung von Dach, Boden und Wänden

Wände, Dach und Boden werden in der Regel mit Schrauben fixiert und verklebt. So werden im Gegensatz zu einer festen Verschraubung Durchbrüche und damit Einfallsmöglichkeiten für Feuchtigkeit vermieden. Auch Kältebrücken sollen dadurch ausbleiben. Wie genau die Verklebung funktioniert, verraten die Hersteller zum Schutz vor Konkurrenz nicht so gern.

Beispiel Carthago: Hier wird für die Boden- Wand-Verbindung ein innen liegender Tragholm verwendet, entlang dessen die Verklebung erfolgt. Das soll auch zusätzliche Stabilität bieten. Anders die Verbindung von der Seitenwand zum Dach: Hier wird die Wand zum Dach hin gebogen und verklebt. Ein Profil deckt die Nahtstelle ab. Für die Rundung wird der XPS-Schaum im Inneren der Wand eingeschlitzt.

Beispiel Eura Mobil: Bei den Rheinhessen wird die Boden-Wand-Verbindung von innen mit Schrauben fixiert und anschließend vollflächig verklebt. Zum Einsatz kommen moderne Industrieklebstoffe.

Sonderfall Kastenwagen

Die Isolierung der Blechhülle eines Kastenwagens stellt die Hersteller vor besondere Herausforderungen. Als Material kommt meist PE-Schaum (Polyethylen) zum Einsatz, bekannt unter dem Markennamen Extremisolator. Matten aus diesem elastischen Schaum gibt es in verschiedenen Stärken, sie meistern auch starke Rundungen. Die Matten werden festgeklebt oder geklemmt. Weil die Karosserie eines Kastenwagens viele Versteifungen aufweist, ist eine durchgehende Isolierung ohne Kältebrücken nur schwer realisierbar.

Sonderfall Monocoque

Sonderfall Monocoque: Diese aufwendig zu fertigende Karosseriestruktur verwenden nur wenige Hersteller, zum Beispiel Wanner aus dem schwäbischen Dettingen unter Teck, die italienische Marke Wingamm sowie La Strada beim Topmodell Nova. Bei einem Monocoque wird der gesamte Wohnmobil-Aufbau – Seitenwände, Heckwand und Dach – als ein Teil in einer Form gefertigt. In diese Form wird zunächst eine GfK-Schicht eingebracht. Sie bildet später die Außenhaut des Monocoques.

Anschließend wird PU-Schaum als Isoliermaterial eingeklebt, bevor eine weitere GfK-Schicht den Abschluss bildet. So entsteht ein robuster Wohnmobil-Aufbau, der bei akkurater Produktion eine lange Haltbarkeit verspricht. Die Fertigung ist entsprechend teuer.

Redaktion
Simon Ribnitzky
Simon Ribnitzky ist seit August 2019 Teil des Teams der Reisemobil International und wurde 2022 Chefredakteur.
zum Profil
AKTUELLE AUSGABE
03/2024
Abo
abschließen,
Prämie
sichern!
Akuelle image