> Expedition zu den schönsten Brauereien in Österreich

Rund ums Bier

14.06.2022
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Oberösterreich Tourismus GmbH, Claus-Georg Petri

Oberösterreich ist ein Land der Biere. In 60 Braustätten, das ist die höchste Dichte an Privatbrauereien in ganz Österreich, werden mehr als 100 Biersorten gebraut. Die Hochburgen liegen im Mühlund im Innviertel – Stellplätze oft nebenan. Eine Expedition zu den schönsten Brauereien in Österreich.

Lange Fahrten im Reisemobil machen mitunter durstig. Schon unterwegs nährt sich die Vorfreude auf ein schönes kühles Glas Bier, am liebsten sofort am Stellplatz. Umso besser, wenn sich die Übernachtungsgelegenheit gleich neben einer Brauerei befindet. Dort gibt es meist ein uriges Restaurant oder sogar einen Biergarten. So wie an einigen Braustätten in Oberösterreich.

Dass das Getränk hier besonders lecker ist, liegt auch an der umgebenden Natur am Nordrand der Alpen. So filtert der hiesige Stein, der Mühlviertler Granit, das klare, weiche Urgesteinswasser. Es bildet mit dem Mühlviertler Hopfen aus dem größten Anbaugebiet Österreichs eine Grundzutat der regionalen Biere. Tatsächlich prägen die Mühlviertler Bierkultur kleine und unabhängige Brauereien. Sie haben sich ihre Besonderheiten bewahrt und bilden die Region mit der höchsten Dichte an Privatbrauereien in ganz Österreich. Jede einzelne Braustätte hier pflegt ihre eigenen Spezialitäten und Geschmacksrichtungen.

Das gilt auch für das Innviertel in Oberösterreich. Es grenzt im Westen unmittelbar an Bayern an. In dem ebenso hügeligen wie fruchtbaren Land hat sich über die Jahrhunderte eine Bierkultur entwickelt, die, ausgehend von der bajuwarischen Brautradition, viele Spezialitäten hervorgebracht hat.

Spaß in der Freizeit: Wer mit dem Mobil nach Oberösterreich fährt, sollte sein Rad mitnehmen. Tolle Strecken gibt´s genug.

Diese Region bündelt zehn Brauereien, 27 Wirte und mehr als 80 Biersorten. Jedes Jahr steigt hier der Innviertler Biermärz und lässt bei mehr als 80 Veranstaltungen die Biertulpen blühen – von der Bierausstellung in der Weberzeile in Ried über den Aspacher Bierkisten-Teamlauf bis hin zu „Bier trifft Küche“ in Altheim.

Und: Die Bierkultur in Oberösterreich differenziert sich weiter. Die Craftbeer-Bewegung hat neue Bierstile auch in die Alpenrepublik gebracht. Die handwerklich und mit unterschiedlichen Hopfensorten gebrauten Biere stehen industriellen Brauereien gegenüber und bereichern die Bierkultur. Viele traditionsreiche Brauereien Oberösterreichs experimentieren sogar auf Basis ihrer Jahrhunderte alten Erfahrungen mit neuen Aromen.

Bier aus Oberösterreich entsteht aus regionalen Rohstoffen, mit Jahrhunderte altem Wissen und der Kreativität ihrer Braumeister. Das flüssige Gold krönt den Tag – erst recht nach einer langen Fahrt im Reisemobil.

Wer schließlich die Region um Linz ansteuert, kann mit Fug und Recht behaupten: Ich bremse auch für Biere.

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Trink-Fest

Im oberschwäbischen Ehingen lernen Amateure, ihr eigenes Bier zu brauen. Und blicken in die unbekannte Welt einer professionellen Brauerei.

Tatsächlich, es hat geklappt. Leise, geradezu unspektakulär läuft das fast fertige Bier in die Bügelflaschen. Fast, weil es noch drei Wochen reifen muss. „Erst dann“, macht Claudi den Teilnehmern den Mund wässrig, „erst dann könnt ihr euer eigenes Bier zu Hause genießen. Aber das habt ihr euch heute verdient.“

Tatsächlich: Der Braukurs in der Brauerei Berg in Ehingen, 35 Kilometer südwestlich von Ulm und ebenfalls an der Donau gelegen, fordert Konzentration und Durchhaltevermögen, dauert er doch acht Stunden. Durch die hohe Kunst des Brauens führt Claudia Leichtle. Die laut augenzwinkerndem Bekunden 20-Jährige gehört seit mehr als zwei Jahrzehnten zum Unternehmen und hat das Seminar vor schon zehn Jahren ausgetüftelt. Seither kommen pro Woche zwei bis drei Gruppen um die 20 Teilnehmer in der eigens dafür vorgesehenen Brau- und Backstube zusammen, um sich von der Bier-Sommelière in die Geheimnisse um Hopfen und Malz einweihen zu lassen.

Claudi, die eigentlich Claudia heißt, ihr zweites „a“ im Vornamen aber nicht leiden kann, verdient sich ihren Respekt durch Detailwissen. Dass sie nach der ersten Vorstellungsrunde sämtliche Vornamen der bisweilen aus ganz Deutschland angereisten Bier-Aspiranten drauf hat, verschafft ihr zusätzlichen Respekt.

Tatsächlich nehmen gern auch Reisemobilisten an dem Braukurs teil. Kein Wunder, erstreckt sich doch nur wenige Schritte hinter der Brauerei, gleich neben dem Biergarten, ein Stellplatz. Der ist so groß, dass hier locker sogar Reisemobilklubs übernachten können – für die Teilnehmer eines Braukurses nach dem Genuss des guten Bieres durchaus ein Argument. Ein weiterer Stellplatz indes, er nimmt gerade mal vier kleinere Reisemobile auf, befindet sich vor dem Wirtshaus von 1466.

In jenem Jahr ist hier das „Recht zu backen, sieden und anderer Metzlereien“ verankert worden. Seit 1757 führt Familie Zimmermann die Brauerei, mit dem Ehepaar Beate und Uli Zimmermann mittlerweile in neunter Generation. Damals wie heute gewinnt die Brauerei Berg ihr Bier aus der Bottich-Gärung. Sie ist eine von 1.650 Brauereien in Deutschland, die um die 7.000 Biersorten brauen.

Auch solche Fakten spielen in dem Braukurs eine Rolle. Doch es geht um mehr: Um Brauprozess und Rezeptur so nachvollziehbar wie möglich zu machen, übernimmt jeder Teilnehmer per Los eine Rolle. Plötzlich sitzen an den Tischen Wirte und Sieder, Brauer und Heizer, Laboranten und Logistiker, Service und Teamplayer. Das erste Selbstgezapfte rinnt durch deren durstige Kehlen, der Zapfhahn an der blitzblank polierten Theke gibt her, was in ihm steckt.

Claudi indes schwärmt: „Wir brauen mit Liebe, Herz und Verstand das andere Bier.“ Auf Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit, Miteinander und Zeit basiere der Umgang mit den Zutaten:

  • Das Malz stammt aus kontrolliertem Anbau von 36 Anbietern aus Oberschwaben. Das verhilft dem Berg-Bier zum Bioland-Zertifikat.
  • Den Hopfen, er bringt die Bitterstoffe ins Bier, liefern sieben Bauern aus Tettnang und der Holledau.
  • Das Wasser aus einem 190 Meter tiefen Brunnen muss, da es von der Alb her sehr kalkhaltig ist, aufbereitet werden. Erst danach ist es sogenanntes Glattwasser, geeignet für den Brauprozess.
  • Die Hefe ist so wertvoll, dass die Mutterkultur bei der Klosterbrauerei Weihenstephan, der ältesten Brauerei der Welt, eingelagert ist.
  • Der Mensch, den die Berg Brauerei als fünften Rohstoff betrachtet, gibt seine Brauererfahrung über die Zeit weiter.

Wie gut das Bier ist, testen die Teilnehmer nebenher, während sie auf ihre kommenden Handgriffe vorbereitet werden. Dann endlich sind die Brauer in spe gefordert, Gersten- und Carafamalz zu mälzen, um die Farbe des Bieres festzulegen, Glattwasser einzufüllen, Getreide zu schroten, zehn Gramm Hopfen auf 17 Liter Maische zu berechnen, die Maltoserast der Maische nach 15 Minuten bei 62 Grad und die anschließende Verzuckerungsrast bei 72 Grad nach 20 Minuten abzubrechen und Hopfen im richtigen Moment dazuzugeben. Zwischendurch wird gerührt, geschrubbt und abgetrocknet, zugeguckt und zugeprostet.

„Ich hätte niemals gedacht, welche Arbeit in einem Glas Bier steckt“, nickt ein Teilnehmer anerkennend und stößt mit einem anderen an. „Ich habe das Bier bisher immer nur getrunken. Einfach so.“ Das Ulrichsbier, wie das Hausbier heißt, schmeckt der brauenden Gruppe vorzüglich.

Gewusst, wie: Die Brauer in spe wenden viele bis dato unbekannte Handgriffe an, stoßen an und blicken in die Braukessel. Das bringt Respekt für das Bier.

Es geht zurück auf das Jahr 1911. Der damalige Brauer Ulrich Zimmermann hat es erstmals gebraut und am Wochenende nach dem 4. Juli, dem Festtag des heiligen Ulrichs von Augsburg (gestorben am 4. Juli 973), ausgeschenkt: Das Ulrichsfest steht seither unverrückbar im Kalender der Brauerei Berg. Am Ulrichsbier hat die Brauerei auch festgehalten, als sie in den 1990er-Jahren eine Durststrecke überwinden musste: Pils war gefragt, aber Familie Zimmermann hielt an ihrer Tradition fest – mit Erfolg.

Heute fließen außer dem Ulrichsbier auch Helles, Hefe- und Kristallweizen, Pils, Schäfleshimmel und Jubel-Bier aus dem Zapfhahn oder der Bügelflasche. Saisonal kommen Märzen, Bock und Weihnachtsbier dazu. Alkoholfreies Bier steht mit gleich drei Sorten auf der Speisekarte des Wirtshauses.

Doch wodurch unterscheiden sich die Biere? In einer Pause, der Kleinsud braut vor sich hin, gruppieren sich alle Teilnehmer um einen großen Tisch. Sie alle schwenken kleine Schlucke in langstieligen Gläsern, halten sie gegen das Licht, riechen hinein. Beim Biertasting erklärt Claudi mit Leidenschaft die Charakteristika: Farbe, Geruch, Aroma, Temperatur und Sensorik im Mund, Geschmack und Abgang. Schnell entwickelt sich eine Diskussion: Welches Lebensmittel passt am besten zu welchem Bier? Welches Bier eignet sich zu welcher Gelegenheit?

Die Gespräche reißen auch bei der Brauereibesichtigung nicht ab. Neugierig blicken die Hobby-Brauer in Sudkessel, staunen über die riesigen, blank polierten Bottiche, auf welche die Brauerei bei ihrer Gärung setzt – im Gegensatz zu vielen Großbrauereien. Die Abfüllanlage schließlich bildet den Endpunkt der Besichtigung.

Bügelflaschen abzufüllen, das steht nach einem zünftigen Bierbrauer-Essen – Schweinshaxe mit Salat – auf dem Seminarplan. Wieder sind viele Hände gefragt: Sixpackträger aus Pappe falten, Flaschen öffnen, Bier einfüllen. Leise, geradezu unspektakulär läuft alsbald das fast fertige Bier in die Bügelflaschen.

Sechs davon nimmt jeder Teilnehmer mit nach Hause. Dort muss das erste selbst gebraute Bier noch drei Wochen reifen. „Erst dann“, macht Claudi den Teilnehmern den Mund wässrig, „erst dann, könnt ihr euer eigenes Bier genießen. Aber das habt ihr euch heute auch verdient.“

Berg Brauerei

Graf-Konrad-Straße 21, 89584 Ehingen,
Tel.: 07391/7717-10, www.bergbier.de, Einkauf im Brauereilädle im Wirtshaus täglich ab 11 Uhr, Oktober bis März Dienstag Ruhetag
Tourist-Info, Marktplatz 1, 89584 Ehingen, Tel.: 07391/503216,
www.ehingen.de, www.bierkulturstadt.info

Brauseminar

• Acht Stunden Bierbrauen in der Brau- und Backstube der Berg Brauerei-Wirtschaft
• Schroten, Maischen, Biersieden bis zum Abfüllen
• Brauereibesichtigung mit Zwickelprobe
• Bierbrau-Vesper und zünftiges Abschlussessen
• Preis pro Person: 99 Euro inklusive Getränke

Ulrichsfest: immer am Wochenende nach dem 4. Juli, 2022 zum 111. Mal vom 8. bis 11.
Juli

Stellplätze

Die Berg Brauerei hält auf einem Parkplatz vor dem Wirtshaus vier Übernachtungsplätze für kleinere Reisemobile bereit. Hinter der Brauerei erstreckt sich eine große Wiese mit Platz sogar für Reisemobilklubs, Graf-Konrad- Straße 21, 89584 Ehingen/Donau-Berg, Tel.: 07391/771733, www.bergbier.de, 48°15'43.06"N/9°44'8.21"E. Neben der Brauerei und dem Museum Brauerei Gewölbe, 0,5 km vom Zentrum entfernt. 4 Stellplätze auf Pflaster. WLAN, Hunde erlaubt. Ganzjährig geöffnet. Nächste VE am Stellplatz am Stadion in Ehingen. Für Restaurantgäste kostenlos. Einkehr obligatorisch. Bordatlas Deutschland 2022 von Reisemobil International, Seite 233.