> Oberbayerische Seen: Wandern am Walchensee und am Kochelsee

Der Weg zum König

14.07.2020
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Tourist-Information Kochel am See / Thomas Kujat / Kunz PR

Besucher auf dem Herzogstand sind Ludwig II. von Bayern so nah wie sonst kaum. Wen der König weniger interessiert, den beeindruckt beim Wandern am Walchensee und am Kochelsee garantiert das Zwei-Seen-Land, das ihm zu Füßen liegt.

Die gute Nachricht gleich vorweg: Niemand muss dort hinauf laufen, um in den Genuss der sensationellen Aussicht zu kommen. Es fährt auch eine Gondelbahn – wenngleich natürlich die Variante zu Fuß die stilechtere ist. Wie auch immer: Die Aussicht ist für Bayern und in dem Fall sogar für ganz Deutschland einmalig. Wer am Gipfelkreuz des 1.731 Meter hohen Herzogstands steht, hat zwei funkelnde Seen im Blick. Südöstlich erstrahlt türkis der Walchensee, Bayerns tiefster Alpensee. Er reicht fast 200 Meter in die Tiefe: Der Grund des Walchensees liegt auf derselben Höhe wie der Wasserspiegel des Kochelsees. Der erstreckt sich nordwestlich, tiefblau, gespeist von der kalten Loisach und ist 65 Meter tief. Doch damit nicht genug: Staffel-, Starnberger und Ammersee, bei Föhn sogar München zeichnen sich im Norden ab. Im Süden erhebt sich hinter Karwendel und Wettersteingebirge der Alpenhauptkamm.

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Dass die Landschaft einzigartig und großartig ist, merkt der Urlauber, wenn er sich im Reisemobil Kochel nähert. Der beschauliche Ort mit seinen knapp 4.100 Einwohnern und dem Franz-Marc-Museum Schöner Tag: So sieht der Sonnenaufgang auf dem Herzogstand aus. In Kochel sind die Häuser schmuck und mit üppigen Blumen verziert. liegt am Ostufer des Kochelsees auf 605 Meter über NN. Wer nun der Bundesstraße 11, besser bekannt als Kesselbergstraße, gen Süden folgt, schraubt sein Reisemobil knapp 200 Höhenmeter über Serpentinen steil bergauf. Nach knapp neun Kilometern sind die ersten Häuser erreicht. Sie markieren den Ort Urfeld, stehen auf 800 Meter Meereshöhe und – am Ufer des Walchensees.

Gut fünf Kilometer sind es von hier zum Campingplatz Walchensee, und die Fahrt dorthin ist ein Gedicht: Der Blick erinnert an einen norwegischen Fjord, an ein Land aus den Tagen der Wikinger. Kein Wunder: Am Walchensee drehte einst Bully Herbig seine Wickie-Filme. Tipp: Sechs von den acht Hütten aus Wickies Heimatdorf Flake stehen noch und sind gratis zu besichtigen – vom Campingplatz aus zu Fuß zu erreichen. Ein guter Abstecher auf dem Weg zur 1994 erbauten Herzogstandbahn. An der Talstation dort beginnt der zweieinhalbstündige Aufstieg zum Gipfel, der Einstieg befindet sich nur wenige Hundert Meter vom Walchensee entfernt.

Wandern am Walchensee und am Kochelsee

Wer nicht hochgondeln will, läuft einfach los oder schließt sich einem Wanderführer an. Etwa Günther Stingl. Der 74-Jährige führt Wanderer den Pfad hinauf, der sich den bayerischen Vorzeigeberg hinauf windet. Im Zickzack geht es durch Wäldchen, Fichten-, Kiefern- und Weißtannen verschlucken schier den Weg, weiter oben spenden Buchen und Ahorn Schatten. Das Herzogstandhaus thront auf 1.575 Metern, errichtet auf den Grundmauern des Kocheler Königshauses Ludwigs II. Wanderführer Günther lebt schon immer in Kochel am See. Jochberg, Rabenkopf, Sonnenspitze, die Berge der Region kennt der naturverbundene Mann wie die Tasche seiner Wanderweste. Auch auf den Herzogstand, der zusammen mit seinem Nachbarn, dem Heimgarten, Kochels prägnanten Höhenzug bildet und dem Estergebirge vorgelagert ist, führt der Pensionär regelmäßig Gäste.

Schon die bayerische Monarchie schätzte den Bilderbuchberg zwischen Kochel- und Walchensee, vor allem als Jagdrevier. Schließlich waren Wilhelm IV. und Ludwig X. leidenschaftliche Jäger. Drum tauften die herzöglichen Brüder den früheren Farchenberg im 16. Jahrhundert um in Herzogstand. Erst Bayerns Märchenkönig Ludwig II. wusste die Schönheit des Kochler Hausbergs zu würdigen. Gleich drei Pavillons – nur einer davon steht nach den häufigen Blitzeinschlägen auf dem exponierten Herzogstand noch heute – ließ der Naturfreund erbauen, um sich am Panorama zu berauschen. „Es heißt, der Kini habe sich sogar sein Essen vom Königshaus zum Gipfelpavillon bringen lassen, um es dort in aller Stille zu genießen“, erzählt Wanderführer Günther. Mit ihm indes gibt’s schon auf halbem Wege eine Brotzeit. Die schmeckt mit Sicht auf das blaugrüne Gewässer, das während der gesamten Wanderung immer wieder zwischen den Bäumen durchblitzt, gleich noch mal so gut. Sorgsam verstauen die Wanderer ihren Abfall in den Rucksäcken. Das gehört zum Bergknigge ebenso dazu, wie auf den markierten Wegen zu bleiben und keine Blumen zu pflücken.

Der Pfad schlängelt sich aus dem Mischwald heraus, es wird sonniger. Da kommt der kleine Wasserfall, der den Weg kreuzt, gerade recht. Frisches Bergwasser fließt über Nacken und Handgelenke und lässt das letzte Drittel bis zum Herzogstandsattel beschwingter gehen. Oben wartet er schon: Ludwig II., oder zumindest seine 60 Zentimeter große Bronzebüste. So hat der noch immer heimlich verehrte König von Bayern alle Besucher genau im Blick: die Wanderer und jene, die den Aufstieg gemieden und die 791 Höhenmeter bis zum Sattel mit der Seilbahn überwunden haben. In nur vier Minuten übrigens. Dieses Angebot ist gut für nicht so konditionsstarke Naturfreunde, die auf die Aussicht aber nicht verzichten wollen.

Tipp: Einmal im Jahr, zu seinem Geburtstag am 25. August, wird Ludwig II. wieder lebendig. Das schafft Bernhard Ludwig Rieger, leidenschaftlicher Künstler, Kini-Kenner und -darsteller aus dem nahe gelegenen Krün, der dann aus dem königlichen Nähkästchen plaudert und Wanderer wie Seilbahntouristen gleichermaßen unterhält. Einige von ihnen laufen von hier aus weiter, meistern die knapp sieben Kilometer lange Gratwanderung (siehe Kasten rechts) hinüber zum Heimgarten auf 1.790 Meter über NN. Auf dieser abwechslungsreichen Strecke ist das fortwährende Panorama garantiert, und von dem zweiten Gipfel ist der Campingplatz nach weiteren fünf Kilometern wieder erreicht. Doch aufgepasst: Die Gratwanderung ist nichts für Unerfahrene.

Deshalb drehen viele Gipfelstürmer auf dem Herzogstand doch lieber um. Laufen talwärts oder gondeln bequem mit der Seilbahn gen Walchensee. Im Strandcafé Bucherer, das seit 1920 hier Gäste verwöhnt, bestellt Günter eine Linsensuppe mit Roter Bete. Seine Gäste indes lechzen nach Kalorien aus den Schinkennudeln. Nur ein paar Meter weiter gleiten Stand-up-Paddler, Wind- und Kitesurfer über Deutschlands größten Gebirgssee. Zuverlässig weht über ihn der Fallwind, der vom Herzogstand kommt, bis zum Abend. Ein treuer Begleiter auch auf dem Weg zurück zum Reisemobil, das auf dem Campingplatz schon wartet.

Infobox

Mobil im Zwei-Seen-Land

Das Zwei-Seen-Land am Herzogstand erstreckt sich rund um Kochel- und Walchensee. Die Luftkurorte Kochel am See und Walchensee liegen 70 und 80 Kilometer südlich von München. Urlauber wandern, fahren Rad und genießen die schöne Landschaft. Die Südseite des Herzogstands gehört zum Vogelschutzgebiet Estergebirge, das zum ‚Netz Natura 2000‘ zählt. Mit diesem länderübergreifenden Schutzgebiet trägt die EU seit 1997 zum Erhalt wild lebender Pflanzen- und Tierarten bei. Auerhahn, Schwarzspecht, Sperlingskauz, Uhu, Steinhuhn, sogar der Steinadler finden im Schutzgebiet Estergebirge Rückzugsräume. In Vogelschutzgebieten darf Land- und Forstwirtschaft nur eingeschränkt betrieben werden, erst recht, wenn sie den Lebensraum der Tiere bedroht. Paragliden und Drohnenfliegen sind auf dem Herzogstand nicht erlaubt.

Stellplatz-Tipp: Walchensee, OT Einsiedl: Nachtstellplatz Einsiedl, an der B11, www.nachtparkplatz-einsiedl.de
Campingplatz-Tipp: Kochel am See, Camping Renken, Mittenwalder Straße 106, Tel.: 08851/615505.

Weitere Stellplätze finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Stellplatzführers Bordatlas.

Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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