> Städtetipp: Alsfeld in Hessen

Wie im Märchen

08.06.2021
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Stadt Alsfeld

Fachwerk wie im Mittelalter, ein Märchenhaus, der Froschkönig und Rotkäppchen: In Alsfeld in Hessen werden mitten in Deutschland Geschichte und Geschichten lebendig.

Es war einmal ein Ort, der anno 1222 seine Stadtrechte verliehen bekam. Alsfeld, wie das schnuckelige Städtchen heute heißt, fasziniert Menschen seit jeher – erst recht seine Gäste. Kein Wunder, schaut es doch aus wie aus dem Märchenbuch. Gäste, die das Idyll aus 400 Fachwerkhäusern mit dem Reisemobil besuchen, finden einen ruhigen Stellplatz für bis zu 45 Fahrzeuge am Erlenstadion am Fuldaer Tor.

Wenn sie die 650 Meter bis zum Markt laufen, wo das Tourist Center Alsfeld sie mit Informationen versorgt, sollten sie tief durchatmen – die 16.000 Einwohner zählende Stadt ist staatlich anerkannter Luftkurort. Mehr als nur eine schöne Stadt zu sein, gehört für Alsfeld dazu: Im Lauf der Jahrhunderte war der Ort Münzstätte, begründete 1254 den Rheinischen Städtebund mit und erlangte im 16. Jahrhundert Bedeutung als Gaustadt.

Der Ausdruck von Macht zeigt sich am Rathaus, es entstand 1512 bis 1516. Das Erdgeschoss besteht aus drei steinernen Arkaden, die zwei Vollgeschosse und die drei Dachgeschosse des steilen Satteldachs bestehen aus Fachwerk. Nicht allein der kunsthistorische und architektonische Aspekt macht dieses Kulturdenkmal so imposant. Interessant ist auch die Vielfalt an Aufgaben, die es seither erfüllt hat.

Generell dienten solche Rathäuser als Gericht, Kaufhaus, Sitz von Regierung und Verwaltung – heute hat der Bürgermeister sein Büro im ersten Stock – sowie als Zeug-und Festhaus. Darüber hinaus fungierte das Erdgeschoss des Alsfelder Rathauses als Markthalle für Bäcker, Tuchmacher und Gewandschneider: Am linken Pfeiler findet sich noch eine Elle als Kontrollmaß.

Im 2. Stock befanden sich die mit Kaminen ausgestatteten Repräsentationsräume der Ratsherren und die Gerichtsstube mit der prunkvollen Renaissancetür des Alsfelder Kunstschreiners Michael Finck (1604). Ihre Intarsien stellen die Justitia dar. Kurz: Im ganzen Gebäude haben sich über die Epochen bedeutende Kunstschätze angesammelt.

Rathaus mit schmucker Fassade

So wie das Alsfelder Rathaus bewegte Geschichte repräsentiert, so erstrahlt seine schmucke Fassade als Symbol für die Sauberkeit der Stadt. Die lässt sich auch auf die historische Wasserversorgung zurückführen: Das Nass diente dazu, die Straßen zu reinigen und Feuer zu löschen. Dazu wurde der Liederbach, er entspringt im gleichnamigen ältesten Stadtteil von Alsfeld, der erstmals 812 in den Klosterbüchern zu Fulda erwähnt wurde, über viele Jahrhunderte am heutigen Bahnhofsgelände aufgestaut.

Von dort floss das Wasser über den Ludwigsplatz in die Obergasse. Dank des natürlichen Gefälles lief es an Abzweigungen in andere Gassen. Bei Bedarf wurden die Sperren des Liedenteiches gezogen, sodass mehr Wasser durch die Stadt rinnen konnte.

Mit Trinkwasser indes versorgten sich die Einwohner über Brunnen im Haus: Es soll jedes Haus in der Kernstadt einen eigenen Brunnen gehabt haben. Dazu kamen mindestens 100 öffentliche Brunnen im Stadtgebiet, die allerdings mit dem Bau der Wasserleitung 1896 nach und nach verschwanden. Tipp: Beim Ausbau der Fußgängerzone 1974 wurde ein mittelalterlicher Brunnen wiederentdeckt und vor Ort wiederhergestellt. Er ist 7,50 Meter tief bei einem Wasserstand von mehr als zwei Metern.

Dass es Alsfeld über die Jahrhunderte gut erging, zeigt sich auch bei einem Rundgang durch die Stadt. Auf Schritt und Tritt bekommen Besucher dabei romantische Gassen, idyllische Plätze sowie jede Menge historischer Bauten und Geschichten zu sehen und zu hören.

Tipp: In der Tourist-Info gibt es einen Stadtplan, dessen Nummerierung jenen Hinweistafeln entspricht, die an den wichtigsten Baudenkmälern angebracht sind. Sie erzählen von den Familien, die in den Häusern lebten, von Schicksalen, vom Leben.

Bildergalerie

Ehemalige Klosterkirche aus dem 14. Jahrhundert

Der Rundgang führt zur Apotheke am Rathaus und zur Dreifaltigkeitskirche. Die ehemalige Klosterkirche stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. An dem einstigen Augustinerkloster und mittelalterliche Macht verströmenden Fachwerkhäusern geht es vorbei zum Beinhaus, einer spätgotischen Kapelle aus dem Jahr 1368. Die Walpurgiskirche ist Alsfelds Hauptkirche. Tipp: Ihre Baugeschichte ist so vielschichtig, dass hier lediglich eine Führung Licht ins Dunkel bringt.

Neurath- und Minnigerode-Haus sind prächtige Patrizierhäuser, deren Besuch sich unbedingt lohnt – sie stehen in der Rittergasse nebeneinander. Ihre Erbauer verewigten ihre Macht und ihren Wohlstand mit Schnitzereien und Steinmetzarbeiten, unübersehbar prächtiger Architektur und Wandmalereien.

Der Stadtrundgang endet in der Sackgasse. In dieser Straße steht das Märchenhaus. Das 1628 erbaute Fachwerkhaus gehört der Stadt, die obendrein auch an der Deutschen Märchenstraße liegt. In den Jahren 1968/69 wurde das Märchenhaus komplett instand gesetzt. Rückseite und Front sind mit altem Eichenholz neu aufgebaut und das Dach vollkommen erneuert.

Mal abgesehen von der äußeren Schönheit des Gebäudes, hier zählen noch mehr die inneren Werte: Sie entführen Besucher in eine andere Welt. Gäste finden hier auf zwei Etagen in jedem Zimmer Märchen der Brüder Grimm dargestellt. Im gemütlichen Erzählraum werden Märchen live vorgetragen. Hänsel und Gretel sind die Nachbarn von Frau Holle, und sogar der böse Wolf liegt im Bett der Großmutter.

Märchen als das Sehnsuchtsziel in Alsfeld. Tipp: Das gibt es auch am Ende spezieller Erlebnis-Stadtführungen. Dann präsentiert die Alsfelder Marktspielgruppe nach Wunsch Rotkäppchen, Froschkönig, Rumpelstilzchen oder Schneewittchen vor zauberhafter Kulisse. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.

Infobox

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Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei der Reisemobil International und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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