> Reportage: Vario Mobil Owners Club

Vario Mobil: Besuch beim Stern

05.05.2024
Text: Randolf Unruh | Bild: R. Unruh, Daimer Truck, Variomobil

Vario Mobil fertigt die vielleicht exquisitesten Reisemobile überhaupt. Jüngst traf sich der Variomobil Owners Club im Lkw-Werk von Daimler Truck und studierte die Herstellung der Chassis. Einblicke.

„Wir haben viele feste Freunde gefunden“, freut sich Bernd Pieper aus Hamm am Rande des Ruhrgebiets. Er ist Mitglied im VOC, dem Variomobil Owners Club, hier finden sich Gleichgesinnte. Pieper reist zusammen mit seiner Frau Sabine gerne in die Niederlande, nach Italien und Kroatien. In einem Vario Perfect auf Basis Mercedes Actros. Heute parkt das mächtige Reisemobil nahe Karlsruhe in unmittelbarer Nähe des Lkw-Werks Wörth von Daimler Truck.

Anlass ist das Frühjahrs-Treffen des VOC. Der lockere Verbund kommt ein, zwei Mal im Jahr zusammen. Diesmal sind es 15 Wohnmobile mit knapp drei Dutzend Reisenden. Das entspricht ungefähr einer Jahresfertigung von Variomobil, bestätigt Geschäftsführer Frank Mix, zusammen mit seinem Firmen-Copiloten Heiko Hülsmann ebenfalls vor Ort.

Die beiden sind die tragenden Säulen der High-End-Marke. Sie kennen alle und alle kennen sie. Es könnten mehr Besucher sein, doch manche Clubmitglieder stecken noch im Winterurlaub, andere im warmen Süden. Eine dritte Gruppe hat seine Reisemobile noch nicht aus dem Winterschlaf geweckt.

 

Luxus auf Rädern: Variomobil mit Alkoven und Slide-Out.

Zu Gast im Werk von Daimer Truck

Für den Actros unter dem Perfect von Bernd Pieper ist es eine Rückkehr in seinen Heimathafen. Wörth ist das weltweit größte Lkw-Montagewerk von Daimler Truck. In guten Zeiten bauen hier mehr als 10 000 Mitarbeiter rund 100 000 Trucks im Jahr.

Ein Lkw-Werk als Ziel einer Gruppe feinster Reisemobile aus der Manufaktur Variomobil? Des Rätsels Lösung: Organisator des Treffens ist Horst Junghans, Mitglied des VOC und langjähriger leitender Entwickler der Lkw mit Stern, Plattform der meisten Supermobile aus dem Städtchen Bohmte bei Osnabrück.

Junghans steuert zusammen mit seiner Frau seit dem Ruhestand einen Vario Alkoven auf Basis Atego, im Schlepp ein Anhänger mitsamt A-Klasse, Mercedes muss sein.

Bernd Pieper: Eigner eines Vario Perfect. Er sagt: "Den wollten wir so haben und Variomobil hat ihn genau so gebaut."

"Leben zuhause und auf Rädern"

In Vorbereitung auf den Ruhestand stieß das Paar vor gut einem halben Dutzend Jahre auf das Thema Reisemobil. Damals lag die letzte Camping-Erfahrung lange zurück, „als Student im Zweimannzelt“, lacht Junghans. Weil ein Entwicklungsingenieur systematisch vorgeht, mietete Junghans zunächst ein Reisemobil für wenige Tage.

Nächste Stufe war eine lange Tour im Fahrzeug eines noblen Fabrikats. Doch auf dem Rückweg landeten die Junghans‘ nach dem Tipp bei Variomobil. Wenig später stand der Auftrag. Und Horst Junghans sogar als Berater der Marke im eigenen nagelneuen Fahrzeug auf dem Caravan-Salon.

Das Lieblingsziel mit seinem fahrenden „Albatros“ ist Sylt. Aber: „Das Reiseziel ist gar nicht so wichtig, es geht um das Leben zuhause oder auf Rädern.“ Das summierte sich im vergangenen Jahr auf etwa 190 Tage.

Für das Treffen in Wörth hat er einen scharfen Parcours zusammengestellt. Die Gäste erleben in der riesigen, fast einen Kilometer langen Produktionshalle das Heranwachsen eines Lkw-Fahrgestells, wie es als Basis auch eines edlen Variomobil dient. Emsige Mitarbeiter montieren als Rückgrat den tragenden Leiterrahmen, mit seinem Lochraster für Anbauten und unzähligen Verschraubungen ein wahres Kunstwerk.

Parallel dazu entsteht aus Blechen das Fahrerhaus, wie es ein Vario Alkoven benötigt. Ein wahres Roboterballett verschweißt die Teile mit virtuosen Bewegungen vollautomatisch mit rund 3000 Schweißpunkten bei 10 000 Volt Stromstärke. Die Besucher lernen, was eine Verlobung ist – die Montage von Motor und Getriebe. Und eine Hochzeit – die Vereinigung von Fahrerhaus und Fahrgestell. Die Fahrgestelle für integrierte Reisemobile erleben dann bei Variomobil eine schnelle Scheidung. Und werden mit dem eigenständigen Aufbau gleich neu verheiratet.

Horst Junghans: als Student im Zweimannzelt, als Ruheständler im Vario Alkovenmobil.
Uwe Neunkirchen: Mann mit beachtlicher Reisemobilkarriere. Saisoneröffnung: im Vario Star von Lübeck nach Travemünde.

Im Lasterwerk arbeiten ebenfalls Verpackungskünstler. Die VOC-Mitglieder beobachten sie im CKD-Center. Die Buchstaben stehen für Completely Knocked Down. Fabrikneue Lkw werden in Einzelteilen in Kisten und Container verpackt und in alle Welt verschickt. Dort verwandeln Tochter- oder Partnerunternehmen sie in Komplettfahrzeuge.

Nötig ist das Verfahren zum Beispiel aus Gründen von Zollvorschriften. Auch sind die Löhne der Monteure in den Zielländern meist deutlich niedriger, ebenso die Fracht für Lasterteile in Kisten, all das senkt den Preis. Ob Gepäck für den Urlaub oder Lkw-Origami für die Arbeit: Hier wie dort geht es um die rationelle und sichere Unterbringung einer Vielzahl von Komponenten, wenn auch in einem ganz unterschiedlichen Maßstab.

Ein E-Reisemobil von Variomobil?

Ihren Chassis von morgen begegnen die Besucher in Wörth ebenfalls. Sie entdecken zum Beispiel die kommenden Assistenzsysteme. Variomobil-Chef Frank Mix und sein Kollege Heiko Hülsmann schauen genau hin, denn neue Sensoren bedeuten teure neue Stoßfänger. Die Gruppe begegnet ebenfalls dem neuen batterie-elektrisch angetriebenen eActros 600. Er blickt ein wenig missmutig drein, als wüsste er von gestrichenen Fördermitteln und fehlender Lade-Infrastruktur. Der Weg von D zu E ist holprig.

Ein E-Reisemobil Marke Variomobil? Frank Mix winkt ab: „Absolut Science-Fiction.“ Denn wohin mit Bordtechnik und Stauräumen angesichts des mit Antriebstechnik und Batterien vollgepackten Fahrgestells? Und wo sollen Reisende zwischen Nordkap und Mittelmeerküste tonnenschwere Akkus laden, vor allem in abgelegenen Landstrichen?

An Science-Fiction erinnert ebenfalls ein Blick durch die 3D-Brille bei der Fahrgestellentwicklung oder die Entdeckung von 3D-Einzelteilen für neue Modelle. Passt oder passt nicht, das ist hier die Frage. Der eine oder andere mit Stracciatella-Folie getarnte Lkw ist ebenfalls zu sehen, die abgeklärten Besucher schauen gelassen darüber hinweg. Wenn’s denn ein Reisemobil wäre…

Bildergalerie

Auf der Teststrecke

Hochwillkommene Abwechslung während der Technik-Druckbetankung dieses Tages ist ein Abstecher ins nahe EVZ, dem Entwicklungs- und Versuchszentrum von Daimler Truck. Hier prüft das Unternehmen Lkw und Omnibusse mit Stern auf Herz und Nieren. Ach was, eher werden sie gnadenlos prügelt. Die Fahrt durch die Steilkurven gleicht einer Achterbahn-Sause, durch den Besucherbus gellen erschrockene Rufe.

Ein Abstecher über die deftigen Bodenwellen und Schlaglöcher der Schlechtwegstrecke bedeutet eine Tortur für Material und Mensch. Die Zeitraffertests für neue Fahrgestelle führen über rund 6000 Kilometer auf übelsten Pisten, denn ein Mercedes-Truck soll mindestens 1,2 Millionen auf der Straße überstehen, auch als schickes Reisemobil. Dem man solch eine brutale Quälerei niemals zumuten wollte.

Erfolgreiches Duo: Variomobil-Geschäftsführer Frank Mix (links) und Firmen-Copilot Heiko Hülsmann.

Lassen es doch manche Eigner eines Vario Mobil eher gemütlich angehen. Uwe Neunkirchen und seine Frau Ose aus der Nähe von Lübeck zum Beispiel sind gerne auf kurzen Wegen „zwischen den Meeren“ in Schleswig-Holstein oder Dänemark unterwegs. Schmunzelnd berichtet Neunkirchen: „Saisoneröffnung war dieses Jahr eine Fahrt von Lübeck nach Travemünde, 25 Kilometer ohne Pause.“

Die Neunkirchens blicken auf eine beachtliche Reisemobilkarriere zurück. Sie führte in 35 Jahren von einem Modell der Mittelklasse über zwei andere Spitzenfabrikate zu Variomobil. Erst zum Perfect, inzwischen zu einem schlankeren Vario Star, der Handlichkeit wegen. Er passt wie zuvor der Perfect in die nur 3,2 Meter hohe Garage mit steiler Zufahrt.

„Heiko hat’s möglich gemacht“, Hülsmann hört es gern. Neunkirchen mag MAN, das stört hier auf dem Mercedes-Areal niemanden. Viel wichtiger: „Wir hatten noch nie irgendwelche Probleme“, urteilt er über knapp 20 Jahre Erfahrung als Eigner mit Variomobil.

Supermobile auch als Wertanlage

Damit ist er nicht allein, auch nicht mit dem Werdegang bis zur Reisemobil-Spitzenklasse. „Wir haben uns hochgetauscht“, erzählt Bernd Pieper, dessen Reisemobilkarriere vor sieben Jahren mit dem Spontankauf eines deutschen Günstigfabrikats begann. sein Perfect macht seinem Namen alle Ehre: „Der ist custom made, den wollten wir so haben und Variomobil hat ihn genau so gebaut.“ Sein Fazit: „Damit sind wir happy und angekommen.“

Geschäftsführer Frank Mix betrachtet seine Supermobile auch als Wertanlage. Die Marke ist inzwischen gut 40 Jahre alt und „die ersten fahren noch“. Durchaus typisch ist neben der extrem individuellen und handwerklichen Bauweise – „jeder Kunde kann sein Auto ausstatten so wie er möchte“ –der Werterhalt. Nicht selten rüstet seine Mannschaft reisemobile Senioren nach. „Und wenn ein Kunde nach 25 Jahren einen neuen Stoßfänger benötigt, ist’s kein Problem.“

Angesichts von zurzeit drei Jahren Lieferzeit macht die Marke offensichtlich vieles richtig – manche Kunden decken sich für die Übergangszeit mit einem gebrauchten Vario ein, erläutert Mix. Und da beim Werksbesuch viel von Qualität und Haltbarkeit die Rede war, fügt er an: „Wir haben Kunden, die 300 000 Kilometer außerhalb Europas gefahren sind, etwa die Panamericana oder nach Asien.“ Bei derlei Strapazen machen sich die aufwendigen Tests der Chassis im EVZ bezahlt.

Und wohin fährt der Chef von Variomobil in Urlaub? „Momentan ist das Lieblingsziel der Gardasee.“ Das Wunschziel aber liegt einige Kilometer weiter. 1986 reiste Mix mit dem ersten Vario Mobil Alkoven auf dem Atego-Vorläufer Mercedes LN2 nach Tarifa an der Südspitze Spaniens. An Bord ein Cross-Motorrad und Surfbretter. Auch Reisemobilhersteller dürfen vom Urlaub auf Rädern träumen.

Abends erholt sich die Gruppe bei Chili con Carne. Jeder packt bei den Vorbereitungen mit an. Auch wenn auf dem Stellplatz vor dem Werk Millionenwerte stehen – die Eigner sind einfach nur Reisemobilurlauber, wenn auch mit außergewöhnlichen Fahrzeugen. Morgen geht’s gemeinsam zu einem gediegenen Weingut und zum Hambacher Schloss – einem Sinnbild für den langen Weg zur Demokratie in Deutschland. In diesen Zeiten unter Freunden ebenfalls ein lohnendes Ziel.

Infobox

MEHR INFORMATIONEN

Mehr zu den exklusiven Fahrzeugen von Variomobil finden Sie auf der Website des Unternehmens.

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